Produktionsblog des Filmsounds von “Who Am I?” (Teil 2)

2. Geräusche aufnehmen, Foleystage und Vorbereitung fürs Sounddesign (6:09 Min)

 

Episodenguide - 2.Episode: Foleys

 

Geräusche-Aufnahmen | Foleys

Nach der Kickoff-Besprechung für das Filmprojekt „Who Am I“ der Filmproduktion Wiedemann und Berg mit dem Regisseur Baran Bo Odar ist der erste Schritt der Tonpostproduktion die „Geräuscheaufnahmen“, die Foleys, aufzunehmen. Da am Set die höchste Aufmerksamkeit der Aufnahme der Sprache gewidmet wird und Nebengeräusche eher vermieden werden, gilt es nun für Daniel Weis, unseren Geräuschemacher, und Florian Holzner, den Aufnahmetonmeister zuerst alle Schritte und Bewegungen der Protagonisten in der Foleystage aufzunehmen. Wichtig ist es, auf die Materialien der Böden, Schuhe, Kleidung etc, zu achten. Zu Beginn wird die Foleystage eingerichtet und die benötigten Utensilien sortiert. 5 Tage werden allein diese Aufnahmen dauern. Danach folgen 4 weitere Tage Aufnahme der Effektfoleys, das sind die „handgemachten“ Geräusche, die einerseits das komplette Handling von Gegenständen im Film beinhalten, andererseits zur Unterstützung des gestalterischen Sounddesigns und der Atmovertonung beitragen.
Durch die gemeinsame Arbeit von Daniel und Florian an vielen Projekten hat sich die Mikrofonierung und Aufnahmetechnik in der Foleystage über die Jahre optimiert.
 

Geräuscheaufnahmen [gəˈrɔyʃəˈaʊfna:mən], auch Foleys genannt, sind ein essentieller Bestandteil jeder Filmvertonung. Hierbei werden mit diversen Utensilien in einem Tonstudio alle konkreten Geräusche, sowie manche Atmosphärischen Tonebenen, von einem Geräuschemacher per Hand, bzw. Fuss oder Mund reproduziert. Diese werden im weiteren Verlauf der Tonpostproduktion in das Sounddesign eingearbeitet und bilden das homogene Rückrad aller konkreten, bildbezogenen Geräusche für die Mischung.


Die Notwendigkeit dieser Aufnahmen resultiert aus 2 Faktoren: Bei den meisten Filmproduktionen muss eine sogenannte IT-Version zur internationalen Vermarktung des Projekts erstellt werden. Hierfür müssen alle inhaltlich notwendigen Geräusche, ausgenommen der Sprache, in einer separaten Mischung zur Verfügung gestellt werden.
Die homogene und qualitativ hochwertige Reproduktion von vielen Geräuschen ist aus einem Archiv nicht praktikabel.

Signalflow Foley

 

Geräuschemacher

Daniel Weis - Geräuschemacher und Sounddesigner

Zu Beginn der Foley-Session hat der Foley-Artist, Daniel Weis, die verschiedensten Schuhe und Stoffe schon vorher herausgesucht und ist somit für sämtliche Schritt- und Bewegungsgeräusche in dem Film gewappnet. Und auch wenn alle 4 Hacker-Darsteller oft gleichzeitig Sportschuhe tragen, ist es doch besser, wenn nicht alle gleich klingen. So wird z.B. Elyas M‘Barek mit einem eleganteren Lederschuh vertont, während Wotan Wilke Möhring eher den Schrittcharakter von Stiefeln erhält. Hiermit gibt Daniel den verschiedenen Protagonisten „Untertöne“, die dem jeweiligen Charakter stärken sollen und dem Zuhörer unterbewusst helfen, die Protagonisten zu differenzieren.

Das Team in Action: ImVordergrund Florian Holzner und hinten sieht man Daniel Weis
Bei den Bewegungen, auch „Movements“ genannt, geht es darum bestimmte Bewegungen besonders zu betonen. Bewegungen erzeugen Nähe zur Handlung. Oft kann man Hintergrundbewegungen verschiedener Personen auf einer Spur zusammenfassen. Darsteller im „On“, die sich sehr in ihren Klamotten unterscheiden oder ein Abgang in Panoramisierung erfordern bekommen meistens eine eigene Spur. Daniel setzt bei den Aufnahmen für „Who Am I“ auch Hautberührungen jeglicher Art auf einer Extraspur ab, da diese mischdynamisch oft separat gefahren werden müssen.
 

Der Geräuschemacher [gəˈrɔyʃəmaxɐ] ist mit dem Aufnahmetonmeister für die Reproduktion fast sämtlicher natürlichen und manchmal auch unnatürlichen Geräusche in einem Film verantwortlich. Trotz des digitalen Zeitalters kann diese Aufgaben nicht von einem Computer übernommen werden, da kein Programm in dieser Präzision und Individualität organisch synchrone Geräusche (wie z.b. Schritte) erzeugen kann. Selbst mit dem best-sortiertesten Tonarchiv dauert es zu lange diese Fülle von Geräusche zu suchen und synchron zu schneiden. Der Anspruch besteht neben der Authentizität der Sounds auch darin, schon bei der Aufnahme möglichst synchron zum Bild zu arbeiten, das erspart viel Arbeit im Foleyschnitt. Dieser erfolgt oft schon parallel zu den Aufnahmen.


Da der erste Geräuschemacher James Foley hieß, wird im internationalen Sprachgebrauch für den „Geräuschemacher“ die Bezeichnung „Foleyartist“ genutzt. Hierfür gibt es keine Ausbildung o.Ä., sondern das Wissen wird in Regelfall von einem Geräuschemacher zum nächsten weitergegeben. In den meisten Foleystages gibt es einen Grundstock an Utensilien zum Erzeugen der Geräusche, dennoch bringt jeder Geräuschemacher noch „seine Koffer“ zu den Aufnahmen mit in denen er seine persönlichen Tricks und Kniffe transportiert.

 

Aufnahmetonmeister

Florian Holzner - Aufnahmetonmeister & Sounddesigner

Florian Holzner nimmt die überwiegende Mehrheit  der Geräusche mono in Pro Tools auf, von dem auch das HD-Bild und bei Bedarf der O-Ton zugespielt wird. Sobald sich das Aufnahmeobjekt im Film ändert beschriftet er die jeweilige Recordspur, so daß die nun folgenden Aufnahmen gleich den richtigen Namen tragen. Direkt nach der Aufnahme sortiert er die fehlerhaften Takes aus und weist die korrekten Aufnahmen in die jeweiligen Abteilungen zu: FST (Foodsteps), MOV (Movements) und FOFX (Foleyspecials). In den jeweiligen Abteilungen sortiert er die zu einem Protagonisten gehörenden Geräusche möglichst auf die gleichen Spuren. So ist zum Beispiel der Benjamin als Hauptdarsteller, in den Abteilungen FST, MOV und FOFX meistens auf der Spur 1 zu finden.
 

Neben dem Geräuschemacher gibt es den Aufnahmetonmeister [ˈaʊfna:məˈtɛçnɪkɐ]. Er ist für die Mikrofonierung, die Aufnahmeperspektive, die Filterung, den Nachhall und die Aufnahme in der DAW verantwortlich. Des weiteren kann er dem Foley-Artist direktes Feedback über die Qualität, Klangfarbe und Synchronität geben. Nach der Auswahl des richtigen Mikrofons für die jeweilige Aufnahme gibt er über das Talkback-Mikrofon (TB) dem Geräuschemacher Feedback über die Positionierung. Während der Geräuschemacher für eine Szene probt filtert der Aufnahmetonmeister den Klang und gibt ihm bei Bedarf mit einem Hallgerät schon für die Aufnahme einen Nachhall. In ProTools bedient er die Aufnahmesession und ist für die Vorsortierung und Beschriftung der Aufnahmeclips zuständig. In Absprache mit dem Sounddesigner ist er auch für die Zusammenfassung oder die Splittung von Geräuschaufnahmen (z.B. die Aufnahme aller Kleiderbewegungen im Bild auf einer Spur und nicht separat nach Protagonisten getrennt) verantwortlich. Der Foley-Recordist ist somit das Bindeglied zwischen Foley-Artist und Sounddesigner. Er muss vorausschauend arbeiten und wissen, was im Sounddesign gebraucht wird.

 

Foley-Specials

In unserem Fall heißt „special“ auch, die Charaktere der Protagonisten zu unterstützen: Stefan bekommt einen Akzent beim Laufen durch das hinzufügen einer Kette, an der sein Schlüssel befestigt ist, Paul hat immer ein kleines Werkzeugset dabei, das klappert. Gerade bei vier Protagonisten die häufig zusammen im Bild zu sehen sind, ist es angebracht, sie tonlich, wie auch mit den Schuhen, von einander abzugrenzen. Diese Geräusche sind jedoch im Endeffekt nur sehr leise und unterbewusst zu hören.

Hier werden gleich eingewickelte Nudeln zertreten.

Bei einem Hackerfilm wie „Who Am I“ ist eines der meist gebrauchten Geräusche das Tippen auf einer Computertastatur. Um da die nötige Präsenz zu erzeugen, wurden die Geräusche mit einem Großmembranmikrofon und einem Kontaktmikrofon, welches direkt an die Tastatur geklebt wird, aufgenommen.

Auch ein immer wiederkehrendes Motiv ist die U-Bahn, die in dem Film die Datenkanäle des Internets symbolisiert. Für diese Szenen wurden nochmals extra metallische Geräusche aufgenommen, Rattern und Quietschen. Mit diesen Sounds können später unter anderem auch Whooshes generiert werden.
 

Unter Foley-Specials [fɔːlaɪ zpæʃæls] werden alle Geräusche verstanden, die über die Schritte und Bewegungen hinausgehen. Diese Aufnahmen sind sehr vielfältig und es bedarf einiger Kreativität und Erfahrung, dem Bild entsprechende Geräusche im Foley-Fundus zu finden. Viele Geräusche können nur durch mehrere Ebenen und Geräuschanteile erzeugt werden und ergeben dann im gesamten Kontext einen Sinn. So müssen zum Beispiel einige Geräusche künstlich vergrößert werden, da in der Foleystage kein Platz ist um zum Beispiel ein großes Metalltor oder eine Ufolandung aufzunehmen. Türen und viele Hardeffects sind in der Regel passend im Soundarchiv vorhanden und müssen nicht unbedingt als Foley aufgenommen werden. Oft haben die Utensilien, die für ein Geräusch benutzt werden wenig mit dem Objekt im Film zu tun, so wird ein schmackhafter Apfelbiss oft mit dem langsamen Abziehen eines Gaffa-Tapes unterstützt oder der perfekte Knochenbruch aus frischem Staudensellerie generiert.


 

Aus der Praxis

Bei der Aufnahme der Schritte ist ein Großmembran-Kondensatormikrofon von Neumann nah an den Füßen platziert, um den direkten Klang von Schuh, Untergrund und Körper einzufangen. Alternativ wird auch ein etwas weiter entferntes Kleinmembran-Kondensatormikrofon eingesetzt, das weniger direkt klingt und für Außenszenen sowie für weiter entfernte Perspektiven besser geeignet ist. Um mehr Druck in den tieferen Frequenzen zu erzeugen, wird ein weiteres Großmembran-Kondensatormikrofon direkt an die Füße gestellt. Bei dem Signal wird der hochfrequente Anteil durch einen Urei 656 Filterset herausgefiltert und der Bassbereich extrem verstärkt. Da das Signal aus dem Aufnahmeraum sehr trocken klingt, werden die Geräusche noch mit größerem Abstand von Angelmikrofonen aufgenommen, um ein gewisses räumliches Gefühl zu schaffen und dem ein bisschen mehr Leben zu verleihen. Damit werden auch die Hallgeräte gefüttert.

Alles in Griffnähe für den optimierten Workflow

Eine „echte“ Räumlichkeit wird erzählt, in dem Hall von einer EMT Hallplatte und einem Lexikon PCM 92 Reverb dynamisch zum Signal gefahren werden. So entstehen z.B. sich entfernende Schritte, bei größerer Distanz klingen sie indirekter. Jedes Signal kann auch noch mal mit einem Transienten Designer bearbeitet werden. Das bietet die Möglichkeit, die Mikrofone sehr nah an der Quelle zu platzieren und laut aufzunehmen, jedoch ohne die allzu trockene Studioakustik. Des weiteren kann durch Sustain-Regulierung der Nachhall abgesenkt werden. Das alles funktioniert aufgrund analoger Technik weitgehend latenzfrei. Das hat sich bisher für unseren sehr reflexionsarmen Raum am besten erwiesen. Sicherlich funktioniert diese Technik nicht in jedem Aufnahmestudio gleich gut. Andere Studios arbeiten mit der natürlichen Akustik des Raumes und nutzen Reflexionswände um das Geräusch an den Film anzugleichen.

 

Editing – Foleys

Bei „Who Am I“ übernimmt Fabian Weigmann den Geräusche-Schnitt. Zu der grundsätzlichen Aufgabe hierbei gehört es die Geräusche synchron zu schneiden und zu blenden. Wie schon im Abschnitt „Foley Recording“ beschrieben, werden die Geräusche direkt mit Hall versehen und aufgenommen.  Daher wird im Schnitt darauf geachtet, dass die Hallfahnen der Geräusche nicht abreissen. Bei dieser Arbeit ist also viel Akribie von Nöten. Bei „Who Am I“ agieren in der Regel alle vier Hauptfiguren gleichzeitig im Bild und jeder hat seine eigenen Schrittstil. So muss Fabian Weigmann jede Szene öfters durchgehen. Die Faustregel, dass der Schnitt die doppelte Zeit wie die Aufnahme in Anspruch nimmt, kann hier somit nicht gelten.
 

Die Aufgabe der Foley Editors ist es die aufgenommenen Geräusche synchron und homogen zum Bild und O-Ton zu schneiden. Hierbei sortiert er die Geräusche auch in Gruppen, meistens FST (Schritte), MOV (Bewegung) und FOFX (Foleyeffekte). Oft sortiert man die Geräusche in den Gruppen jeweils von Vordergrund nach Hintergrund, so daß zum Beispiel die Schritte des Protagonisten auf Track 1 der FST Gruppe und die zugehörigen Bewegungen auf Track 1 der MOV Gruppe liegen. Beim Schnitt der Schritte muss neben der Synchronität auch auf den Rhythmus geachtet werden. Oft wirkt eine Schrittsequenz, wenn man sie hart auf das Bild schneidet unrund hier muss der Editor auch im Subframe-Bereich diese rhythmisch anpassen. Sollten Schritte zu hart wirken kann der Editor auch durch anblenden, komprimieren oder durch Nutzung eines Transienten Designers die Schritteigenschaft angleichen. In Absprachen mit dem Soundsupervisor werden bei den MOVs oft nur die wichtigen großen Bewegungen eingeschnitten. Das vermeidet diffuses Geraschel in den Szenen. Harteffekte und Foleyzusätze werden vom Sound Designer geschnitten, da er einen besseren Überklick hat, welche Geräusche schon aus dem Archiv anliegen. Papier und Wasser haben keine Balken: Bewegung und Aktion haben in weichen Materialien keinen genau definierbaren Anschlagspunkt, wichtig ist hier eher der Rhythmus.